- Vertriebsprognosen, Absatz- und Bedarfsplanung (rough-cut Planning)
- Möglichkeiten zur Ausbalancierung von Demand und Supply
- Lieferfähigkeit der Lieferanten bewerten und sicherstellen
- 3 Vorlagen im Praxisteil
Vertriebsprognosen, Absatz- und Bedarfsplanung (rough-cut Planning)
Der S&OP-Prozess basiert zunächst auf der Absatz- und Bedarfsplanung. Dafür sind auf der Demand-Seite Vertriebsprognosen erforderlich, die darauf abzielen, die zukünftige Nachfrage nach Produkten so genau wie möglich vorherzusagen.
Diese Schritte und Aufgaben werden dazu durchgeführt:
1. Datensammlung Markt
Analysieren Sie bisherige Verkaufsdaten, Trends, saisonale Schwankungen und andere historische Daten zum Verkauf und Absatz. Nutzen Sie außerdem Ergebnisse der Marktforschung, Informationen über Marktbedingungen, Wettbewerbsaktivitäten, Verbraucherpräferenzen und potenzielle Schwankungen am Markt.
2. Geplante Vertriebs- und Marketingaktionen
Stellen Sie alle Informationen aus Marketing, Vertrieb, Produktmanagement und anderen Abteilungen zusammen, die Einblicke in zukünftige Produktentwicklungen, Produkteinführungen, Produkteliminierungen, Werbekampagnen, Messebeteiligungen oder Vertriebsstrategien bieten.
3. Nachfrageprognose
Erstellen Sie Prognosemodelle, die auf historischen Daten und zukünftigen Erwartungen basieren. Nutzen Sie dafür statistische Methoden und Werkzeuge zur Datenanalyse; zum Beispiel KI-Tools. Stimmen Sie sich – wenn möglich – mit Ihren Kunden ab: Wie schätzen diese ihren Bedarf für die nächsten Wochen und Monate ein?
4. Demand-Planung
Erstellen Sie auf diesen Grundlagen den Demand-Plan – Ihre Absatzplanung für die nächsten drei bis sechs Monate und für unterschiedliche Aggregationsebenen: Sortiment, Produktgruppen, Produkte. Dies ist Ihre Grobplanung (rough-cut Plan), mit der Sie in die Abstimmung mit der Supply-Seite gehen.
Damit die Prognosen und die darauf basierende Planung immer besser wird, sollten Sie die Prognosen mit allen Beteiligten regelmäßig überprüfen und besprechen. Bei Abweichungen zwischen Prognose und Plan einerseits und tatsächlichem Absatz andererseits müssen Sie die Ursachen suchen und Ihre Prognosemethoden und Modelle verbessern.
Ressourcen und Kapazitätsplanung im S&OP-Prozess
Die Koordination der Produktionspläne mit den verfügbaren Ressourcen ist ein zentraler Aspekt der Supply-Seite im Rahmen des Sales and Operations Planning. Diese Koordination umfasst mehrere Schritte:
1. Erfassung der Ressourcendaten und der Lagerbestände
Zuerst werden umfassende Informationen über die verfügbaren Ressourcen gesammelt. Dazu gehören Daten über die Kapazitäten von Maschinen und Anlagen, die Verfügbarkeit von Arbeitskräften (einschließlich Schichten und Qualifikationen) und Transportkapazitäten, Lagerbestände an Rohmaterialien und Komponenten sowie die Kapazitäten von Lieferanten.
2. Analyse der Produktionskapazitäten
Basierend auf den gesammelten Daten wird eine Analyse der gesamten Produktionskapazitäten durchgeführt. Dies beinhaltet die Bewertung der maximalen Output-Mengen, die unter Berücksichtigung der verfügbaren Ressourcen über einen bestimmten Zeitraum produziert werden können.
3. Abgleich von Nachfrage und Angebot
Der vorhergesagte Bedarf (von der Demand-Seite) wird mit den verfügbaren Produktionskapazitäten abgeglichen. Ziel ist es, festzustellen, ob die vorhandenen Ressourcen ausreichen, um die erwartete Nachfrage zu decken. Bei Kapazitätsengpässen müssen Prioritäten gesetzt und Entscheidungen über die Allokation der Ressourcen getroffen werden.
4. Anpassung der Produktionspläne
Basierend auf dem Abgleich werden Produktionspläne angepasst. Dies kann die Umverteilung von Ressourcen zwischen verschiedenen Produktlinien, die Anpassung von (geplanten) Ausfallzeiten oder die Neuplanung von Losgrößen umfassen, um die verfügbaren Kapazitäten optimal zu nutzen.
5. Anpassung der Ressourcen – Flexibilitätspotenziale nutzen
Um auf Änderungen in der Nachfrage oder bei den Ressourcen reagieren zu können, werden Flexibilitätsstrategien berücksichtigt. Dazu gehören beispielsweise die Möglichkeit, Überstunden zu leisten, zusätzliche Schichten einzuplanen, temporäre Arbeitskräfte zu beschäftigen oder mit Lieferanten flexible Liefervereinbarungen zu treffen.
Letztlich müssen Sie im Rahmen der Ressourcen- und Kapazitätsplanung im Blick haben:
- Reichen die bestehenden Ressourcen und Kapazitäten, um den vermutlichen Bedarf der Demand-Seite zu decken?
- Wo gibt es Engpässe?
- Wo können Kapazitäten (schnell) reduziert und wie können Sie erweitert werden?
- Sind die Lieferanten lieferfähig und können Sie alle Lieferteile rechtzeitig bereitstellen?
Im S&OP-Meeting Demand und Supply vergleichen und abstimmen
Die Ausbalancierung der Absatzplanung und Kapazitätsplanung erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Abteilungen. Betroffen sind Produktion, Beschaffung, Logistik, Vertrieb, Marketing und Controlling. Vertreter dieser Abteilungen treffen sich regelmäßig im S&OP-Meeting; mindestens einmal pro Monat.
Diese Meetings sollten Routine sein und nach einer festen Agenda ablaufen. Auf der S&OP-Agenda müssen folgende Punkte stehen:
- Sales-Forecast für die nächsten Wochen: Was hat sich geändert? Wie realistisch sind diese Zahlen?
- Auswirkungen auf den Produktionsplan: Worauf müssen wir uns einstellen? Haben wir die notwendigen Ressourcen?
- Kritische Fälle: Wo erkennen wir Kapazitätsprobleme? Was muss besser aufeinander abgestimmt werden? Was ist kritisch?
- Lagerbestand: Wie sieht es mit dem Lagerbestand aus? Wovon haben wir zu viel? Wo ist die Lieferfähigkeit gefährdet?
- Lieferanten: Bekommen wir das notwendige Material rechtzeitig von unseren Lieferanten? Wo müssen wir eingreifen?
- Planung für die nächsten Wochen: Sie stimmen Demand und Supply so gut es geht aufeinander ab und legen Ihren Produktionsplan fest.
Besprechen Sie außerdem Ihre Planabstimmungen aus den vorigen Meetings:
- Passten Ihre Planungen zu dem, was dann tatsächlich passiert ist?
- Gab es kurzfristige Änderung beim Sales-Forecast mit Auswirkungen auf Ihren Produktionsplan?
- Wie gut war Ihre Abstimmung von Sales und Production?
Wenn es große Abweichungen oder Fehlannahmen und Fehlplanungen gab, sollten Sie dem nachgehen und die Ursachen dafür ermitteln. Sammeln Sie diese und lernen Sie daraus für die Zukunft.
Am Ende des Meetings haben Sie einen Produktionsplan erstellt mit den Zahlen, an die sich nun alle betroffenen Abteilungen Ihres Unternehmens halten und auf denen die Abteilungen ihre jeweiligen Pläne aufbauen können.
Möglichkeiten zur Ausbalancierung von Demand und Supply
Ausbalancierung Demand
Auf der Demand-Seite müssen Vertrieb, Marketing und Kundenservice berücksichtigen, was im Planungszeitraum hergestellt werden kann. Wenn Kundenanfragen eingehen, müssen Liefertermine genannt werden, die realistisch sind und dann eingehalten werden.
Es sollten auch keine besonderen Vertriebs- oder Marketingaktionen durchgeführt werden, wenn die Kapazitäten schon stark ausgelastet sind.
Beispiel: Anpassung der Absatzplanung
Aus der Absatzprognose ergibt sich, dass im Herbst mit einer größeren, saisonal bedingten Kundennachfrage gerechnet wird. Dadurch sind die Produktionskapazitäten nahezu vollständig ausgelastet.
Eine Vertriebspromotion nach den Sommerferien würde die Zahl der Kundenanfragen im Herbst vermutlich noch weiter ansteigen lassen. Die Produktionskapazitäten könnten dies nicht mehr bewältigen.
Deshalb wird im S&OP-Prozess gemeinsam vereinbart, dass die Promotion-Aktion erst im Spätherbst stattfindet, um den vermutlich geringeren Kundenbedarf im Januar zu steigern. Zum Beispiel dadurch, dass für Januar eine Rabattaktion durchgeführt wird, die im November und Dezember beworben wird.
Der Absatzplan gibt also nicht vor, sondern wird seinerseits auf die Produktionskapazität abgestimmt.
Ausbalancierung Supply
Auf der Supply-Seite können die Kapazitäten angepasst werden durch:
- Überstunden oder Abbau von Überstunden
- Mehrschichtbetrieb
- Auslagerung an Lieferanten
- Verschiebung von Wartungsarbeiten
- Erweiterung der Kapazitäten durch Leihpersonal
Wenn nötig, können Lagerbestände als Puffer dienen. Diese Lösung sollte aber nur „im Notfall“ genutzt werden.
Zur Bewertung, welches Szenario und welche Form der Ausbalancierung am besten sind, werden Kosten und Erlöse betrachtet und ein „Gewinnmaximum“ ermittelt. Dazu bedarf es entsprechender Rechenschritte (lineare Programmierung). Betrachtet werden Umsatz und Kosten, insbesondere:
- Kosten für Kapazitätserweiterung
- Kosten der Lagerhaltung
- Kosten durch Lieferterminverzug gegenüber Kunden
- entgangener Umsatz
- Mehrumsatz bei sofortiger Lieferung
Lieferfähigkeit der Lieferanten bewerten und sicherstellen
Die ausbalancierten Vertriebs- und Produktionspläne werden mit den Beschaffungsplänen und der Lieferfähigkeit der Lieferanten abgestimmt. Bewerten Sie Ihre Lieferanten, ob diese in der Lage sind, den Bedarf an Materialien oder Produkten in der erforderlichen Menge, Qualität und zum benötigten Zeitpunkt zu erfüllen.
Dazu werden folgende Schritte durchgeführt:
1. Identifikation kritischer Materialien und Komponenten, die von Lieferanten bezogen werden
Identifizieren Sie die Materialien und Komponenten, die für Ihre Produktion entscheidend sind. Bestimmen Sie, welche Lieferanten für diese kritischen Teile verantwortlich sind.
2. Sammlung historischer Leistungsdaten
Bewerten Sie die bisherige Leistung der Lieferanten anhand historischer Daten. Dazu gehören Lieferpünktlichkeit, Qualität der gelieferten Produkte oder Materialien und die Fähigkeit, auf Bedarfsschwankungen zu reagieren.
3. Analyse der Produktions- und Lieferprozesse
Analysieren Sie die Produktions- und Lieferprozesse des Lieferanten, um Engpässe, Ineffizienzen oder potenzielle Risiken zu identifizieren, die die Lieferfähigkeit beeinträchtigen könnten.
4. Kapazitätsplanung und Prognose von Lieferzeitpunkten und Liefermengen
Arbeiten Sie mit Ihren Lieferanten zusammen, um deren Kapazitätsplanung und Produktionspläne zu verstehen. Dies umfasst die Bewertung ihrer Fähigkeit, auf kurzfristige Nachfrageerhöhungen zu reagieren, sowie die vorgesehene Produktionsplanung der Lieferanten.
5. Bestellplanung
Leiten Sie daraus nun die Bestellplanung ab, die Sie mit Ihren wichtigen Lieferanten abgestimmt haben. Sie geben den Lieferanten eine Vorschau: „Wir bestellen in KalenderwocheX folgende Lieferteile in der MengeY.“
Welche Probleme tauchen im S&OP-Prozess auf?
Im S&OP-Prozess müssen die Verantwortlichen für die Demand-Seite (Vertrieb, Marketing, Kundenservice) und für die Supply-Seite (Produktion, Materialdisposition, Logistik, Beschaffung) ihre jeweiligen Ziele, Interessen und Pläne in Übereinstimmung bringen. Das kann zu Problemen oder sogar zu Konflikten führen.
Wenn das gemeinsame Sales and Operations Planning im Unternehmen erst eingeführt wird, berücksichtigen die jeweiligen Verantwortlichen bei ihren Planungen nur die eigene Perspektive; sie beziehen die jeweils andere Seite nicht ein.
Das zeigt sich zum Beispiel bei:
- Annahmen über Verkaufszahlen sind zu hoch, die Prognosen sind zu optimistisch, um bei Bedarf auf jeden Fall lieferfähig zu sein.
- Saisonale Schwankungen werden nicht angemessen berücksichtigt.
- Marketing- oder Vertriebsaktionen werden unabgestimmt durchgeführt.
- Der Vertrieb passt die Absatzzahlen zu spät an, wenn die Bestellungen signalisieren, dass deutlich mehr oder weniger bestellt wird als geplant.
- Die Produktion kann die Kapazitäten nicht so schnell anpassen, wie der Absatzplan es vorsieht – weder nach oben noch nach unten.
- Zur Einsparung von Kosten erfolgt ein Lieferantenwechsel, was zu anfänglichen Lieferschwierigkeiten führt; die Produktion bleibt hinter der Planung zurück.
- Engpässe bei Lieferanten, Personal oder Maschinen werden nicht richtig erkannt und berücksichtigt; es kommt zu Verspätungen.
- Einige Ressourcen oder Abläufe werden nicht ausreichend berücksichtigt; zum Beispiel Mangel beim Fahrpersonal zur Auslieferung von Produkten.
- Die Produktion plant zu große Puffer ein und will „auf der sicheren Seite“ sein, um bei Störungen nicht in Verzug zu kommen; sie rechnet mit geringen Kapazitäten und plant Puffer im Lager ein.
Um diese Probleme in den Griff zu bekommen und zu verhindern, ist ein etablierter S&OP-Prozess notwendig.
Praxis
Sales and Operation Planning vorbereiten
Bringen Sie alle relevanten Abteilungen für das Sales and Operation Planning mindestens einmal pro Monat an einen Tisch. Besprechen Sie dort Ihre jeweiligen Teilpläne und stimmen Sie sich gemeinsam ab.
Klären Sie im Vorfeld, für welche Produktgruppen oder Produkte und für welchen Zeitraum Sie eine entsprechende Planabstimmung durchführen wollen. Mithilfe der ABC- und XYZ-Analyse des Produktspektrums erkennen Sie, welche Produkte wichtig sind für die Lieferfähigkeit und welche hohe Lagerkosten und Kapitalbindung verursachen.
Nutzen Sie für diese Einordnung die folgende Vorlage.
S&OP-Meeting durchführen
Nutzen Sie für Ihr S&OP-Meeting folgende Agenda-Vorlage und besprechen Sie alle oben ausführlich erläuterten Aspekte.
Absatz- und Produktionspläne abstimmen
Grundlage für das Sales and Operations Planning sind die Pläne für den Absatz (Sales, Demand), zur Lagerhaltung und zur Kapazitäts- und Ressourcenverfügbarkeit. Vorlagen dazu finden Sie in den Beiträgen zu:
- Vertriebsprognosen erstellen
- Vertriebsplanung mit Excel
- Critical-Chain-Management
- Supply-Chain-Management
- Kanban
Mit der folgenden Vorlage führen Sie diese Teilplanungen in einer Übersicht zusammen. Sie können damit unterschiedliche Szenarien für den Demand-Supply-Plan betrachten und die Auswirkungen auf Umsatz, Kosten und Gewinn erkennen.
Kapitel 263
Sales and Operations Planning
- 1Worum es beim Sales and Operations Planning geht
2
Vorgehen beim Sales and Operations Planning
- 3Sales and Operations Planning im Unternehmen einführen
- 4Beispiel für das Sales and Operations Planning
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